von Rüdiger Siebert

Indien ist Namenspatron für Indonesien, und dies aus gutem Grunde. Der Name verweist auf tiefverwurzelte Beziehungen zwischen dem Subkontinent und der Inselwelt Südostasiens. Die hinduistisch-buddhistischen Einflüsse seit den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, die über die Meere mit Händlern, Seeleuten, Mönchen und Brahmanen von Indien nach Indonesien gelangten, haben den Archipel, seine Kulturenvielfalt und die Mentalität seiner Bewohner unterschiedlich zwar nach Regionen, doch insgesamt nachhaltig geprägt. Damit wurden geistige und auch machtpolitische Fundamente gelegt, die bis in die Gegenwart wirken.

Balis hinduistische Wurzeln und die daraus erwachsene Kultur wurden weltberühmt. Die Tempelwerke des zentralen Javas, im Geiste des Hinduismus und des Buddhismus erbaut, sind Weltkulturerbe. In Ost-Java ist eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Tempel erhalten. Doch Java hat noch viel mehr zu bieten. Die Hinterlassenschaft der indisch geprägten Königreiche in West-Java, im Sundalande, ist außerhalb Indonesiens kaum bekannt. Die Zeugnisse können sich, was Größe und spektakuläre Dimension betrifft, nicht mit Borobudur und Prambanan messen, sind aber gleichwohl Ausdruck hochentwickelter Kulturen. Dies belegt auf anschauliche Weise eine empfehlenswerte Publikation in englischer Sprache; erschienen in der verdienstvollen Reihe zur Geschichte Indonesiens, die Adolf Heuken SJ in Jakarta begründete.

Herwig Zahorka hat eine archäologische Bestandsaufnahme gemacht, die die historische Bedeutung West-Javas ins rechte Licht rückt. Der deutsche Forstfachmann und Entwicklungsberater, ein profunder Kenner indonesischer Besonderheiten, brauchte für seine Recherche gewissermaßen nur vor die eigene Haustür zu treten, denn zusammen mit seiner indonesischen Familie lebt er seit 1995 in Bogor. Die wegen ihres Botanischen Gartens und der landwirtschaftlichen Hochschule gerühmte Stadt ist trefflicher Ausgangsort auf der Spurensuche der frühen Hindu-Reiche in West-Java. Der historische Bogen über nahezu ein Jahrtausend reicht von der Zeit des Tarumanagara Königreiches im frühen 5. Jahrhundert bis zum Pakuan Pajajaran Königreich, das im 16. Jahrhundert endete. Herwig Zahorka bezieht die Entdeckungsgeschichte der jeweiligen Stätten und ihrer archäologischen Zeugnisse mit ein. Erst im 19. Jahrhundert gerieten sie ins Blickfeld der Forschung und Wissenschaft.

Sorgfältig wird aufgelistet, registriert, beschrieben und abgebildet, was übriggeblieben ist von diesen Reichen an beschriebenen Steinen, an Stelen, Terrakottafiguren, an Schmuck, an Bronzen, Kupferplatten. Herwig Zahorka ist ein penibler Sammler, der historische Karten und eine Fülle von zumeist farbigen Fotografien der Objekte in seiner Untersuchung vereint und damit einen – im wörtlichen Sinne – reichen Überblick zu einem wenig beleuchteten Kapitel der indonesischen Geschichte in ihren Bezügen zu Indien vermittelt. Das Buch erhellt die Hintergründe und Zusammenhänge und reicht in die jüngere Geschichte, aus der erst Gegenwart zu verstehen ist. Herwig Zahorka kennt die Schauplätze von vielen Exkursionen und gibt in seinem Buch auch praktische Hinweise für diejenigen Leser, die vor Ort selbst auf Entdeckung gehen wollen. Und wer weiter lesen will: Mit einer umfangreichen Bibliografie wird die Materialsammlung vervollständigt.

Herwig Zahorka: The Sunda Kingdoms of West Java. From Tarumanagara to Pakuan Pajajaran with the Royal Center of Bogor; Yayasan Cipta Loka Caraka, Jakarta 2007.