von Hiltrud Cordes
Die aus Oldenburg stammende Autorin, Ursel Newiger, hat viele Jahre mit ihrem indonesischen Ehemann in Ostjava ein Hotel und Restaurant betrieben. „Yoschi’s Guesthouse“ war ein Ausgangspunkt für Ausflüge zum Vulkan Bromo, einem touristischen Highlight von spektakulärer Naturschönheit auf der Strecke von Java nach Bali. Weit weniger ist über die Menschen bekannt, die in der Umgebung des Bromo siedeln, die Tengger. Auch Ursel Newiger wußte zunächst wenig über ihre Nachbarn, begann jedoch im Laufe der Zeit, sich für die Kultur und die Überlieferungen der Tengger zu interessieren.
Auffällig ist, dass die Tengger sich der Islamisierung Javas bis heute entzogen haben und vielmehr eine lokale Variante des Hinduismus entwickelt haben. Möglicherweise geht das heutige Volk der Tengger auf eine Gruppe von Siedlern aus den Ebenen Ostjavas zurück, die hierher, in die unzugängliche Bergregion kamen, weil sie der Islamisierung entkommen, aber auch nicht nach Bali fliehen wollten, wie es die Oberschicht des hindu-buddhistischen Majapahit-Reiches zum Teil tat. Ähnlich wie das Volk der Badui ganz im Westen Javas, hätten die Tengger sich demnach bewusst einer religiös-ideologischen Strömung widersetzt und eine Art von Binnen-Exil und selbstgewählter Abschottung der Anpassung an ungewünschte Veränderungen vorgezogen.
Bei Reisen in die deutsche Heimat suchte Ursel Newiger in Bibliotheken nach Material über die Tengger und stieß auf einige wissenschaftliche Aufsätze und Abhandlungen. Überrascht stellte sie fest, dass ihre Recherche-Ergebnisse aus Deutschland vor Ort in Ostjava, insbesondere bei den Priestern, auf großes Interesse stießen. Kulturelle Traditionen und Überlieferungen waren bei den Tengger selbst zu ihrem eigenen Bedauern zum Teil bereits in Vergessenheit geraten.
In folge dieses Austauschs beschloss Newiger, die Resultate ihrer Recherchen in Buchform zu fassen. Geplant ist eine Trilogie über die Kultur der Tengger, dessen erster Band mit „Kinder des Feuergottes“ nun im Eigenverlag erschienen ist.
Doch „Kinder des Feuergottes“ ist keine ethnographische Studie sondern hat eher den Charakter einer Erzählung, ergänzt durch ansprechende Illustrationen von Olaf Kock. Die Rahmenhandlung bildet ein setting aus der Gegenwart, in der ein alter Geschichtenerzähler seinem Enkel die Überlieferungen seines Volkes anvertraut und dabei einfließen lässt, wie er selbst die Geschichten von wiederum seinem Urgroßvater erfuhr. Diese Konstruktion macht es der Autorin möglich, einen Zeitraum von mehreren Generationen erzählerisch zu umfassen, doch manchmal verliert man als Leser ein wenig den Überblick über die Handlungsebenen.
Innerhalb dieses Erzählrahmens entfaltet Newiger die Geschichte vom Volk der Tengger, seiner Herkunft und der Besiedlung des heutigen Heimatgebietes. Das Buch ist kurzweilig, bisweilen spannend, und der Leser erfährt en passant nicht nur einiges über die Lebensweise der Tengger, sondern erhält auch einen Einblick in die javanische Geschichte zur Zeit der Königreiche Singasari und Majapahit (13. bis 15. Jahrhundert). In der Art eines Historiengemäldes oder historischen Romans lässt die Autorin die javanische Vergangenheit zum Leben erwachen. Zwar sind dabei die Grenzen zwischen facts und fiction nicht klar zu erkennen, doch war es wohl auch nicht die Absicht der Autorin, einen historischen Tatsachenbericht zu liefern. „Kinder des Feuergottes“ ist eine interessante Lektüre für alle, die etwas über Ostjava und das Volk der Tengger erfahren möchten und sicher eine empfehlenswerte Ergänzungslektüre zum Reiseführer für jeden, der einen Ausflug zum Bromo plant. (Zu bestellen bei: www.paramita-verlag.de)