von Karl Mertes
Noch ein anderes Büchlein aus Indonesien zeigt Verbindungen nach Deutschland auf. 1965 erscheinen in New York „Last letters from Stalingrad“ – eine Übersetzung deutscher Originale. Und 2003 legt der Verlag Gagas Media aus Jakarta in Übersetzung von Landung Simatupang eine Auswahl dieser anonymen Briefe vor – 60 Jahre nach dem sie geschrieben wurden. Und Munir steuert ein Nachwort bei – ja, der Munir, der Rechtsanwalt und Menschenrechts-Aktivist, der im vergangenen Jahr auf offener Bühne umgebracht wurde (vergiftet in einem Garuda-Flugzeug auf dem Weg nach Amsterdam).
Allein dieser Tatbestand ist interessant: Dem indonesischen Publikum werden Briefe deutscher Soldaten vorgelegt, die im Kessel von Stalingrad einer ausweglosen Situation gegenüberstanden und sich mit letzten Worten an ihre Nächsten wandten.
39 Briefauszüge werden abgedruckt, die den Widersinn des Krieges, die Brutalität und Willkür des Soldatentums, die Hilflosigkeit einerseits und Hoffnung andererseits beschreiben. Und Munir verfasst ein Nachwort: Er greift die unausweichlichen Gewaltanwendungen in Kriegen auf und geht mit Nationalismus – als einer häufigen Ursache für Kriege – und militärischen Zeremonien sowie Heldengeschichten hart ins Gericht. Dabei schlägt er die Brücke zwischen den vorliegenden Briefen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, alten Geschichten edler javanischer Ritter, den aktuellen Auseinandersetzungen in Aceh und den Entwicklungen der modernen Kriege, die mehr und mehr ein Maschinenkrieg werden.
Cinta di tengah kengerian perang – Surat-surat Penghabisan dari Stalingrad – Abschiedsbriefe aus Stalingrad. Gagas Media-Verlag, Jakarta 2003, ISBN 979-3084-56-1