von Rüdiger Siebert

Im Lexikon steht es so, was Technik und Material betrifft: „Batik – Reservefärbeverfahren, bei dem ein Reservemittel wie heißes Wachs oder Reispaste auf die Oberfläche von Stoffen aufgetragen wird, um diese Bereiche beim Färben auszusparen und ungefärbte Muster zu bilden. Nach dem Färben wird das Reservemittel durch Auskochen, Ausschmelzen oder Abkratzen entfernt.“ Ein kompliziertes Verfahren also, dessen textiles Ergebnis zu den schönsten, farbigsten, dekorativsten  Seiten Indonesiens, speziell des zentralen Javas, gehört, als nützliches wie repräsentatives Gewand getragen wird und als Gegenstand des Sammelns zur Leidenschaft werden kann.
Von all diesen Aspekten der Batik zeugt ein opulentes Werk, das großformatig und großartig in der Hand liegt: der prächtige Sammelband, der in Verbindung mit der Ausstellung „Javanische Batiken“ der Sammlung Rudolf G. Smend im Deutschen Textilmuseum Krefeld (24. September bis 30. Dezember 2006) erschienen ist. Die Mischung von Information, Demonstration und dem sehr persönlichen Bezug des Herausgebers Smend zu „seinen“ Batiken überzeugt und lässt den Leser und Betrachter teilhaben an der Faszination, die von diesen Stoffen ausgeht.
Vorab die Information: „Will man diese Textilgruppe richtig verstehen und schätzen, so darf man nicht vergessen, dass es sich bei der javanischen Batik um ein kulturelles Phänomen handelt, das in der westlichen Textiltradition kein Pendant hat“, stellt Dr. Maria Wronska-Friend fest, in Australien lebende polnisch-stämmige Anthropologin. Die ausgewiesene Batik-Expertin und Kennerin der javanischen Produktionsstätten leuchtet mit ihrem Essay den Hintergrund jener Kunst der Musterung mit Wachs aus. Wo hat Batik seine Ursprünge, wo sind welche Motive und Besonderheiten zu finden, welchen Stellenwert hat diese Textiltechnik heute – und vor allem: was macht den inneren, den geistigen Gehalt aus: „Es handelt sich um Stoffe, denen vielschichtige symbolische Bedeutungen innewohnen und die als sichtbare Äußerung javanischer Überzeugungen, Ethik und sozialer Ordnung dienen. Daher gelten Batiktextilien als eine der wichtigsten Ausdrucksformen javanischer Kultur“, resümiert Maria Wronska-Friend.
Dies wird mit den 75 Batiken der Smend-Sammlung vorzüglich demonstriert. Sie stammen von der Nordküste Javas und sind zwischen 1870 und 1900 gefertigt worden; eine Zeitspanne, die unter Kennern als Höhepunkt der Batik-Kunst gilt. Müßig, an dieser Stelle die kostbaren Stoffe beschreiben zu wollen, die in mustergültiger Druck- und Farbwiedergabe zu sehen sind: eine bibliophile Augenweide. Nur die Originale können noch schöner sein. Der Bogen der Motive reicht von der strengen Garuda-Musterung jenes Stoffes, der dem Sultan von Yogyakarta vorbehalten gewesen war (ein kain panjang), bis zu dem phantasievollen Durcheinander des Kopftuchs, das in chinesisch geführten Werkstätten in Lasem für  muslimische Frauen auf Sumatra gebatikt wurde (ein kain jupri). Dazwischen so ziemlich alles, was diese Fertigungs-Art (im Sinne von Kunst) zu bieten hat. Die farbenfreudigen, so leicht und luftig wirkenden Blumen von Pekalongan. Die klassischen, in dunklem Braun gehaltenen Stoffe mit Wayang-Figuren. Taschentücher mit Darstellungen aus der Götterwelt des Reichs der Mitte, mit denen sich Chinesinnen ausstatteten, so genannte toka. Märchenfiguren, die javanisch-europäische Mädchen für ihre Röcke schätzten. Und Kurioses wie ein Sarong, der die neuesten Verkehrsmittel von 1900 abbildet, nämlich Fahrrad, Flugzeug und Automobil, und damit auf bunt-verspielte Weise anschaulich macht, wie gestaltungsfreudig  und aufnahmebereit die Welt der Batik war – und wie wir wissen – noch heute ist.
Batik hat  stets auch etwas mit Menschen zu tun, wird von ihnen gemacht und getragen, ist Gegenstand höfischen Vorzeigens und Kleidung im Alltag. Dies illustrieren die Fotos aus Java jener Jahre, in denen die Batiken der Smend-Sammlung entstanden sind. Die hier erstmals veröffentlichten Schwarz-Weiß-Aufnahmen  aus Batik-Werkstätten, Fotoateliers mit ernst in die Plattenkamera blickenden Javanern und steif und würdig auftretenden Hofbeamten von Yogyakarta und deren Frauen vermitteln einen Eindruck jener vermeintlich guten alten Zeit, die die Holländer  „Tempo doeloe“ nennen, als sie im indonesischen Archipel das koloniale Sagen hatten.
Dass sich ein junger Mann, der eigentlich nach Australien auswandern wollte, doch dann auf Java hängenblieb und sich vom Charme und Reiz der Batiken einfangen ließ, damals 1972, gehört zur Entstehungsgeschichte dieser Sammlung. In einem Interview kommt Rudolf G. Smend zu Wort und berichtet von jener ersten Reise nach Indonesien, die sein weiteres Leben so nachhaltig bestimmen sollte. Die Bekanntschaft mit dem javanischen Batik-Künstler Gianto veranlasste zu eigenen Versuchen, sich im Umgang mit Wachs und Farben und Tuchen zu üben. Mit einem Rucksack voller Batiken kehrte Smend nach Köln zurück, eröffnete seine Galerie in der Mainzer Straße und stellt nun nach mehr als drei Jahrzehnten erinnernd fest: „…dass die Idee zur ‚Batik-Galerie’ genau zum richtigen Zeitpunkt kam. Damals gab es eine Sehnsucht, eine Hoffnung für alles, was ‚aus dem Osten’ kam.“ Die Batiken aus Java erfreuten nicht nur die Kölner, mit Batiken und deren Verkauf ließ sich tatsächlich eine Existenz aufbauen. Smend wurde zu einem der wichtigsten Vermittler von Batik-Kunst in Deutschland und weit über dessen Grenzen hinaus. Bei zahlreichen Reisen nach Indonesien und der Pflege von Freundschaften mit dortigen Künstlern und Galeristen hat Smend diese Beziehung im Laufe der Jahre vertieft und fortgesetzt. Die Veranstaltung von Batik-Kursen sowohl in der Kölner Galerie als auch vor Ort auf Java hat zahlreiche Freunde und Freundinnen des Batikens mit dieser Kunst vertraut gemacht. Und Smend wurde ein kenntnisreicher Sammler, der sich nicht nur besonders wertvoller, seltener, origineller Textilien erfreut, sondern sich intensiv mit deren Herkunft, historischen Zusammenhängen und inhaltlicher Bedeutung beschäftigt. Heute gilt Smend international als ein Experte in diesem Genre, ist geschätzter Referent auf Fachtagungen weltweit und Berater für  einschlägige Museen.
So kam es zur Ausstellung seiner Sammlung im Deutschen Textilmuseum Krefeld. Der zeitliche Anlass im Herbst 2006 war kein Zufall. Es galt, ein Jahrhundert-Jubiläum angemessen zu würdigen. 1906 fand im Krefelder Kaiser Wilhelm Museum die erste große Schau indonesischer Kunstwerke in Deutschland statt, die eine erstaunliche Begeisterung auslöste, die in den folgenden Jahren insbesondere der Batiktechnik zuteil wurde. Darauf verweisen Prof. Dr. Brigitte Tietzel in ihrem Vorwort und Dr. Isa Fleischmann-Heck in einem ausführlichen Essay. Die stellvertretende Leiterin des Krefelder Textilmuseums beschreibt die Batik-Rezeption in deutschen Landen zwischen der Jahrhundertwende und dem Ende des Ersten Weltkrieges. In Kunstgewerbeschulen und Laboratorien wurde ebenso mit der Batik-Herstellung experimentiert wie in häuslichen Stuben, wo weniger professionell dafür aber mit der Lust und Liebe von Amateuren die Anregung von der fernen Insel Java aufgegriffen wurde, Stoffe in der Technik des Reservefärbeverfahrens zu gestalten. „Welchen großen Eindruck Batikkleider dieser Zeit in den hohen Gesellschaftsschichten hinterließen, bezeugen Zeitgenossen wie Loebèr, der berichtete, dass es Kronprinzessin Cäcilie war, die am Berliner Hof gebatikte Abendkleider einführte“, so ist zu erfahren. Als die Berliner Firma Albert Reimann den so genannten Batikstift auf den Markt brachte, trug dieses Instrument für 7,50 Mark zur Popularisierung des Batikens bei: „…insbesondere (bei) Frauen, die für den eigenen Hausbedarf batikten oder mit gebatikten Handarbeiten ihren Lebensunterhalt aufbesserten“.
Die Batik-Begeisterung in Deutschland ist also gewissermaßen hundert Jahre alt – und Rudolf G. Smend hat wesentlichen Anteil, dass sie nicht nur in die Gegenwart reicht, sondern wohl auch weitergetragen wird. Das Buch zu seiner Sammlung verbindet auf erfreuliche Weise genau diese Spanne der historischen Dimension. Und was den Sammler selbst betrifft: „Batik wurde stets belächelt – ‚Das ist nur etwas für Frauen’, oder ‚Die sehen doch langweilig aus’ oder ‚Das ist ja in einer Manufaktur hergestellt worden’ – das waren Sätze, die ich mir oft anhören musste“, so berichtet Rudolf G. Smend, „aber ich war eigensinnig und fühlte mich wohl auf meinem Sammelgebiet: bei den Batik-Künstlerinnen und Künstlern, bei den Frauen auf dem Markt mit ihren Stapeln an Second Hand Batiken, in den Manufakturen, wo es nach Wachs roch und wo junge Mädchen und ältere Frauen bei mäßiger Beleuchtung mit großer Geduld und höchstem Geschick mit dem Canting auf dem Stoff zeichneten. Java, das war meine Welt. Nicht Bali und nicht Sumba oder Flores. Ich blieb bei meiner Linie, weil die Batiken keineswegs langweilig sind und dementsprechend das Sammeln dieser Textilien niemals langweilig werden kann.“ Und das Schauen und Blättern im Buch der Batiken auch nicht…

Batik, 75 selected masterpieces, The Rudolf G. Smend Collection; Texte in englisch und deutsch; Verlag Galerie Smend, Mainzer Strasse 31, 50678 Köln, 2006, 180 Seiten, 36 Euro.