von Karl Mertes

Ayu Utami, aus Bogor stammend und Katholikin, hat 1998 als damals Dreißigjährige ihren ersten Roman veröffentlicht, der nun bei Horlemann erschienen ist.

Sie hatte mit „Saman“ eine literarische Sensation in Indonesien ausgelöst, Anerkennung und Zuspruch ebenso erlangt wie Widerspruch und Empörung; der Roman stellte einen Bruch mit der seinerzeitigen indonesischen Literatur dar. Ayu Utami rührte an Tabus, indem sie offen über politische Unterdrückung, Sexualität, das explosive Verhältnis zwischen Muslimen und Christen und die Minderheit der Chinesen schrieb.

Das Buch hat eine ungewöhnliche Auflagenhöhe in Indonesien erlangt, wo bekanntlich der Buchmarkt ein Schattendasein führt. Die Autorin gehört zu der Generation, die eine unnachgiebige Abrechnung mit der politischen Ära der Suharto-Zeit betreibt. Neben ihrer schriftstellerischen Arbeit ist Ayu Utami auch als Journalistin und politische Aktivistin tätig und zählte Anfang der 90er Jahre zu den Mitgründern eines Netzwerks Unabhängiger Journalisten (AJI).

Der kundige Übersetzer ist mit Peter Sternagel jemand, der zuvor auch schon von Umar Kayam „Ein Haus von Macht“ ins Deutsche übertragen hat. Als langjähriger Mitarbeiter des Goethe-Instituts ist er ausgezeichneter Kenner der Sprache wie von Land und Leuten.

Ayu Utami hat sich zusammen mit Goenawan Mohamad dem Kölner Publikum 2001 vorgestellt, als sie auf einer Veranstaltung der DIG und der Deutschen Welle Auszüge aus „Saman“ las.

Saman ist der Alias-Name des katholischen Priesters Wisanggeni, der in den Untergrund geht, um Kleinbauern bei deren Widerstand gegen willkürlichen Raubbau und Entrechtung zu unterstützen und letztlich nach New York flieht, von wo aus er bei einer internationalen Menschenrechts-Organisation mitarbeitet. Er steht im Zentrum des Romans. Seine familiären Verhältnisse scheinen immer wieder in Traumsequenzen und Korrespondenzen mit seinem Vater auf. Die zunächst seelsorgerische Aufgabe in einer Transmigrantionsregion in Süd-Sumatra lässt ihn ob der Machenschaften der Agroindustrie im Verbund mit staatlichen Behörden schließlich untertauchen, um sich zum Widerstand gegen das herrschende System durchzuringen. An den Ort seiner Kindheit hatte es ihn u.a. gezogen, weil er sich um ein geistig behindertes Kind kümmerte.

Daneben agiert noch eine Gruppe von Freundinnen, die sich Konventionen versagen und durch ihr politisches Handeln sowie ihren freizügigen Umgang im Privatleben einen zweiten Handlungsstrang darstellen. Sie stehen mit Saman in Verbindung, sind beruflich erfolgreich als Journalistin oder im Hotelgeschäft und verhelfen ihm schließlich zur Flucht.

Die einzelnen Kapitel sind jeweils aus unterschiedlichen Erzählperspektiven geschrieben. Ständig wechseln Orte und Handlungsstränge, und die Ich-Erzähler lassen den Leser unmittelbar an den unterschiedlichen Erlebnissen teilhaben. Auf der einen Seite werden reale Vorgänge geschildert, auf der anderen Seite beschreibt die Autorin Phantasien und Mythen, die so recht die indonesische Kultur spiegeln.

Utami ist für ihr literarisches wie journalistisches Werk bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Mit „Larung“ hat sie eine Fortsetzung von „Saman“ vorgelegt. Wir sind gespannt.